Seit
dem vergangenen Jahr sind sie nicht zu übersehen: Filme von Regisseurinnen kommen
ins Kino, gewinnen Preise und fallen auf. Esther
Gronenborn ("alaska.de"), Vanessa
Jopp ("Vergiss Amerika", "Engel und Joe"), Connie Walther
("Feuer und Flamme"), Angela
Schanelec ("Mein langsames Leben") und Sandra
Nettelbeck ("Mostly Martha - Drei Sterne") gehören in diese Reihe,
aber auch die österreichische Regisseurinnen Barbara
Albert ("Nordrand"), Jessica
Hausner ("Lovely Rita") und Valeska Grisebach ("Mein
Stern"), deren Jahrgang an der Wiener Filmakademie inzwischen als "Wiener
Schule" gelobt wird. Die Nachwuchsregisseurinnen Maria
Speth ("In den Tag hinein") und Barbara Gebier ("Salamander")
drehten Abschlussfilme mit sehr persönlichen Geschichten ihrer Generation und
sind damit auf dem Sprung in die professionelle Karriere. Die Schauspielerinnen
Maria Bachmann ("Thema Nr. 1") und Nicolette Krebitz ("Jeans")
wechselten im letzten Jahr ins Regiefach, letztere macht sich als Produzentin
auch für die Chancen des digitalen Films stark.
Unter
den etablierten Regisseurinnen haben Franziska Buch und Caroline Link jüngst
mit Kästner-Verfilmungen Erfolgszahlen im Familienkino erreicht. Hermine Huntgeburth
dreht gerade "Bibi Blocksberg", einen Fantasy-Film nach der berühmten
Kinderhörspielserie. Und ab Winter kommt Caroline Links neuer Film, "Nirgendwo
in Afrika", eine Jugendgeschichte aus der Nazi-Zeit, in die Kinos.
Doris Dörrie, deren digital
produzierter Film "Erleuchtung garantiert" letztes Jahr im Kino, wie
sie sagt, "funktionierte", beginnt im Oktober mit neuen Dreharbeiten.
Parallel dazu wird ein Buch von ihr erscheinen, auf dem die neue Sechs-Personen-Komödie
basiert. Vivian Naefe, zuletzt mit "Zwei Männer, zwei Frauen, vier Probleme"
1998 im Kino, hat seit dem letzten Jahr fünf Fernsehfilme abgedreht und bereitet
jetzt einen Fantasy-Film als Kinostoff vor. Jeanine Meerapfels neuer Film "Annas
Sommer", eine deutsch-spanisch-griechische Koproduktion, entstand parallel
zu ihrer Tätigkeit als Professorin an der Kölner Medienhochschule und wurde
gerade beim Filmfestival Montreal uraufgeführt. Viele Namen ließen sich ergänzen.
Vivian Naefe bemerkt, dass aus ihrem Jahrgang an der Münchener HFF immer mal
wieder Sherry Hormann, Ute Wieland, Liliane Targownik und sie selbst präsent
sind, nicht jedoch ihre männlichen Absolventenkollegen vom Anfang der achtziger
Jahre.
Eine längere Liste ergeben
auch die Namen der Fernsehspielregisseurinnen, unter ihnen Gabi Kubach, Ilse
Hofmann, Dagmar Damek, Carola Hattop, Martina Elbert, Claudia Prietzel und viele
andere. Margarethe von Trotta sträubte sich lange, für das Fernsehen zu arbeiten.
Seit einigen Jahren lässt sie sich jedoch, wie sie ihrem Biographen Thilo Wydra
erklärte, "gelassen und optimistisch" auf das kleinere Bildschirmformat
und die unterschiedlichen Inszenierungsbedingungen ein. Zuletzt war im vergangenen
Jahr ihre mehrteilige Verfilmung von Uwe Johnsons Roman "Jahrestage"
im Fernsehen zu sehen.
Nicht zu vergessen
sind die Dokumentarfilmerinnen, die im laufenden Jahr den schwierigen Weg ins
Kino schafften: Helga Reidemeister ("Gotteszell") und Solveig Klaßen
("Jenseits von Tibet"), demnächst auch Monika Treut ("Kriegerin
des Lichts") mit dem Portrait einer Brasilianerin, die sich um Straßenkinder
kümmert. Mit einem Portrait ihres Vaters gewann Karin Jurschick ("Danach
hätte es schön sein müssen") Preise. Für den Dokumentarfilm "Groundspeed"
gewann Luzia Schmid von der Medienhochschule Köln gerade den First Steps Award
- außer ihr waren auch die dffb Studentin Juliette Cazenave ("Nicole und
Jean") und die "Konrad Wolf Studentin Shaheen Dill-Riaz Ahmed ("Sand
und Wasser") nominiert. Neue Filme von Susanne Ofteringer ("Nico-lcon")
und Aelrun Goette ("Ohne Bewährung") sind zu erwarten.
Regel oder Ausnahme?
Haben wir es mit einer zufälligen Konjunktur zu tun, die bald wieder verebbt? Oder haben die Frauen in der Filmbranche erreicht, wovon in den Spitzenpositionen der Wirtschaft, der Politik und der Kultur in Deutschland sonst noch längst nicht die Rede ist Gleichstellung ohne Quote und Kampflärm?
Feststeht,
dass noch nie so viele Regisseurinnen, Drehbuchautorinnen und Produzentinnen
am Werk waren wie heute, dazu erheblich mehr Redakteurinnen und Producerinnen
in den Fernsehanstalten und Frauen in den Fördergremien, verglichen mit der
ersten kleinen Welle neuer deutscher Filme von Frauen vor rund fünfundzwanzig
Jahren - eine präzise Studie über die tatsächliche Entwicklung gibt es jedoch
leider bisher nicht.
Auch in anderen künstlerischen
Medien treffen mehr Frauen kreative Entscheidungen und machen Regie. Im Theater,
beim Tanz, in der Musik gehen von ihnen neue Impulse aus. In diesem Gesamtbild
scheint die Aufholbewegung der Filmfrauen quer durch die Spezialberufe und Sparten
wie ein langer ruhiger Fluss, der durch nichts mehr zu stoppen ist.
Ein weniger entspanntes
Bild zur Lage entsteht jedoch im Gespräch mit einigen der anfangs genannten
Filmemacherinnen. Einerseits erklären sie übereinstimmend, dass das emanzipatorische
Programm der älteren Generation in ihren Augen in eine Sackgasse führte, andererseits
stellen viele überrascht fest, dass ihr Beruf heute doch immer noch eine Männerdomäne
ist. Welcher Standpunkt
trifft also die Situation? Der eine behauptet, es gibt keine geschlechtsspezifische
Ausgrenzung, und - so sie einst existierte - war sie nicht den Männern anzulasten.
Der andere beschreibt die nach wie vor aktuelle Erfahrung, in der Filmbranche
mit "buddy systems" konfrontiert zu werden. Da herrschen Spielregeln,
die Frauen nicht geläufig sind.
Einerseits wollen
Connie Walther, Hermine Huntgeburth, Sandra Nettelbeck, Esther Gronenborn, Caroline
Link und Dagmar Damek nicht in die "Frauenecke" gestellt werden, sondern
Filme "für alle" machen (Link). Sie wollen "menschliche Filme,
nicht Frauenfilme" drehen (Huntgeburth), "nicht in die Underdog-Rolle"
kommen (Naefe), sondern "als Person" ernstgenommen werden (Gronenborn).
Andererseits stellen die Befragten zumeist fest, dass Frauen in der Branche
mit anderen Augen angesehen werden als Männer. Vertraut man ihnen die gleichen
Budgets an wie einem gleich versierten Mann? Können sie sich denselben Habitus
leisten - bei der Arbeit, im Umgang mit dem anderen Geschlecht - wie ihre Kollegen?
Haben sie die gleichen Chancen beim Start?
Jüngstes Beispiel,
womöglich ein Signal für den nächsten Knick in der Konjunktur: beim First Steps
Award dieses Jahres waren in allen Kategorien mehr Frauen als Männer nominiert,
nur nicht beim abendfüllenden Spielfilm. In der "Königsdisziplin"
blieben die Nachwuchsregisseure unter sich.
Rückblick
Was
wirklich erreicht wurde, lässt sich mit einem Blick in die Geschichte beschreiben.
Erst in den letzten drei von beinahe elf Jahrzehnten, seit denen Kino exisitiert,
haben die Frauen in nennenswerter Zahl ihren Anspruch auf Regie angemeldet.
Heute gibt es fast ebenso viele Studentinnen wie Studenten an den deutschen
Filmhochschulen. Bei deren Gründung um 1966 waren die Studentinnen noch eine
exotische Minderheit. Auch im älteren Ausbildungssystem der DDR schaffte es
trotz formaler Gleichstellung nur eine winzige Zahl Frauen, in Regie-Posten
aufzusteigen. Kino
als Männerdomäne - das ist die universelle Ausgangslage, die erst mit deutlichem
Verzug nach der 68er-Bewegung, bzw. dem Prager Frühlings von den interessierten
Frauen selbst attackiert wurde.
Anfangs ein technisches
Spielzeug für Erfinder und Ingenieure, auch eine Zukunftsinvestition für Unternehmer,
war Kino per se eine Männerdomäne. Die traditionellen Rollen blieben klar verteilt:
Frauen hatten vor der Kamera ihre Rollen als spektakuläre Blickfänge und dramatische
Heldinnen, oder sie waren im Hintergrund, in den Rohfilmfabriken, Labors und
Kopierwerken als billige Arbeitskräfte beschäftigt. Henny
Porten und Asta Nielsen gründeten Produktionsfirmen, um mit ihren Hausregisseuren
vor allem interessantere Rollen für sich selbst entwickeln zu können. Ein Schuss
Exzentrizität, Star-Renommee in der Branche und viel eigenes Geld waren dazu
nötig. Als Regisseurinnen wagten sich noch weniger Frauen ins Geschäft: Olga
Tschechowa und Leontine Sagan beispielsweise, die mit je einem einzigen Film
bekannt wurden. Leni Riefenstahl meldete 1932 mit ihrem Debüt "Das blaue
Licht" den hartnäckigsten Anspruch an, sich selbst zu inszenieren und restlos
alle Aspekte des Filmemachens in ihrer Firma autonom zu kontrollieren. Sie konnte
ihr radikales Autorenkonzept ausgerechnet in Diensten von Hitler weiterentwickeln.
Ihre NS-Parteitags- und "Olympia"-Filme machten sie in jeder Hinsicht
zur absoluten Ausnahmeerscheinung innerhalb des von Goebbels beherrschten Filmapparates
und nicht zuletzt zur umstrittensten Figur in der schmalen Ahnengalerie der
deutschen Filmemacherinnen.
Die erste Generation
Weder der Filmboom in der BRD der 50er-Jahre, noch die geförderte und gegängelte Filmkultur im anderen deutschen Staat DDR räumte den Frauen gleichwertige Chancen ein. Auch im Fernsehen blieb in den 60er Jahren zunächst die traditionelle Rollenverteilung erhalten. Im staatlichen Filmstudio DEFA und dem Fernsehen der DDR arbeiteten schon früh filmwissenschaftlich ausgebildete Frauen als Dramaturginnen oder Autorinnen. Auch im Filmschnitt, der Kostümbildnerei und der Maske waren viele Frauen tätig. Angesichts der offiziellen Politik, Frauen in technischen Berufen allgemein zu fördern, blieb in vierzig Jahren DDR-Geschichte die Zahl der Regisseurinnen im Dokumentar- wie im Spielfilmbereich auffallend gering. Ingrid Reschke, Iris Gusner, Evelyn Schmidt, Sybille Schönemann, Gitta Nickel, Heike Misselwitz sind die bekannten Namen. (Die weibliche Sprachform "Regisseurin" lehnten die DDR-Frauen im übrigen kategorisch ab.) Die Behinderung ihrer Arbeit durch staatliche Überwachung wäre eine eigene Fallgeschichte wert, die sich nicht mit der ersten Generation der Filmemacherinnen in der BRD vergleichen lässt. Die Regisseurinnen des "Neuen deutschen Films" der BRD in den 60er und vor allem 70er Jahren kamen aus filmnahen Berufen, sie waren Schauspielerinnen, Cutterinnen, Fotografinnen, Fernsehansagerinnen. Meist verschafften sie sich mit Kurzfilmen erste Aufmerksamkeit oder lernten in der Zusammenarbeit mit ihren Partnern, bis sie sich aus der Unterordnung lösten. Die Filmhochschulabsolventinnen stellten lange Zeit nicht die Mehrheit.
Helma Sanders-Brahms, Margarethe von Trotta, Ulrike Ottinger, Helke Sander, Jutta Brückner, Elfi Mikesch, Helga Reidemeister, Ula Stöckl, Susanne Beyeler und weitere bildeten damals keine feste Gruppierung. Sie profitierten vom gesteigerten Interesse an Frauenthemen, das mit der feministischen Bewegung entstand, und sie griffen mit ihren künstlerischen Kommentaren auf die deutsche Wirklichkeit in kulturelle Diskussionen ein. Untereinander unterschieden sie sich deutlich durch ihre Nähe bzw. Distanz zu den damaligen feministischen Strömungen. Ihre Erzählformen betonten die subjektive Perspektive, wenn auch die Filme in den Grundmotiven dem "Neuen deutschen Film" verwandt waren, das heißt gesellschaftskritische Polemik mit der Trauerarbeit über die deutsche Geschichte verbanden.
Den Filmemacherinnen der ersten Generation in der BRD war gemeinsam, dass sie mehr Autonomie reklamierten. Sie stellten die Frauen-Perspektive auf ihre Themen und Figuren in den Mittelpunkt und probierten daneben auch neue Produktionsformen aus, indem sie gelegentlich gezielt Frauen in ihre Teams aufnahmen. Die Filme erzählten von weiblichen Erfahrungen und Verletzungen; einige beschäftigten sich kritisch mit den Folgen der Nazi-Zeit und alle zeichneten sich dadurch aus, dass sie den traditionellen Rollenbildern radikal misstrauten. Es gab subtile Frauen-Psychogramme ebenso wie handfeste Geschichtsanalysen, Gesellschaftskritik und ästhetische Utopien in den Filmen.
Man kann May Spiels' [sic] subversive Hippie-Komödie "Zur Sache, Schätzchen“ dazu rechnen, das verspielte Portrait eines nonkonformistischen Mannes, auch "Redupers", Helke Sanders Traum von der Überwindung der Berliner Mauer durch die Experimente einer Fotografin, oder Ulrike Ottingers apsychologische, experimentelle Filme, die das "Wesentliche im Artifiziellen" aufsuchten (Eva Meyer), schließlich auch Margarethe von Trottas Frauenportraits, vor allem "Die bleierne Zeit". Es gab also nie einen pauschalen feministischen Film, sondern ein gutes Dutzend unterschiedlicher Handschriften und Phantasiewelten.
Ihre jeweiligen schwierigen Berufsstarts führten beinahe zwangsläufig dazu, dass die Frauen den Anspruch formulierten, als individuelle künstlerische Persönlichkeiten ernstgenommen zu werden. Das schloss nicht aus, dass sie einander - entsprechend der allgemeinen Aufbruchsstimmung - auf Festivals und zu Symposien trafen und damit ihrem Gruppeninteresse eine lautere Stimme verschafften. Andererseits gab es auch innerhalb der kleinen Frauenfilmszene heftige Kritik, zum Beispiel in der von Helke Sander herausgegebenen Zeitschrift "Frauen und Film", von der sich einige Regisseurinnen wenig gefördert oder tief gekränkt fühlten. Und nicht zu vergessen: Auch unter den Filmemacherinnen gab es eine Berliner und eine Münchener Fraktion, die einander reserviert gegenüber standen, ähnlich wie sich die "Schule des Berliner Arbeiterfilms" scharf gegen Münchener Filmemacher wie Klaus Lemke, Wim Wenders oder Niklaus Schilling abgrenzte.
Schon auf dem Höhepunkt der ersten Welle hatten die Filmemacherinnen dieselbe Angst wie ihre Kolleginnen heute, unter "Frauenfilm" in eine Nische abgeschoben zu werden. Widerwillig fanden sie jedoch immer wieder ihr Publikum unter diesem Etikett, denn die halbkommerziellen Verleihe warben damit und die Filmkritik nahm sie so zur Kenntnis. Als spezielles Teilprodukt des "Neuen deutschen Films" wurden sie international bekannt. So war die "Frauenecke" fatalerweise im Ausland ein Bonus und im Inland ein Fluch.
Überhaupt entwickelte sich nicht nur eine Erfolgsgeschichte. Die Filme von Helma Sanders-Brahms, Margarethe von Trotta, Jeanine Meerapfel und Ulrike Ottinger polarisierten die Kritik und das Publikum immer öfter, auch das von der Frauenbewegung stimulierte. Noch heute verweisen die genannten leidenschaftlich verletzt auf ihre internationale Reputation, während sie sich von der deutschen Kritik zu Unrecht abgewatscht oder zu Zeiten gar "vernichtet" fühlten, wie es Margarethe von Trotta von der Resonanz auf ihren Film "Heller Wahn" bei den Berliner Filmfestspielen 1981 berichtet.
Vorbilder?
Fragt man Regisseurinnen heute nach ihren Vorbildern, so fällt auf, dass die erste, noch tätige Generation und ihre älteren Filmen kaum mehr als historische Größen wahrgenommen werden. Einzig Margarethe von Trottas "Die bleierne Zeit" hat bei Connie Walther, Esther Gronenborn und Sandra Nettelbeck Spuren hinterlassen.Caroline Link schätzt Jane Campions "An Angel at my table".Doris Dörrie fühlte sich früher von Agnès Varda und Martha Meszaros inspiriert, aber auch von Martin Scorsese; sie sieht die einstigen Vorbilder jedoch blasser werden, seit sie selbst immer mehr Filme macht. Jessica Hausner kann sich an die Kurzfilme der Wiener Experimentalfilmerin Valie Export und an Käthe Kraatz erinnern. Für die an Literaturadaptionen interessierte Dagmar Damek spielt Truffaut eine große Rolle. Angela Schanelec bezieht sich auch auf die filmkritischen und -theoretischen Arbeiten von Frieda Grafe. Maria Speth ihrerseits fühlt sich von Angela Schanelecs Filmen angeregt (auch weil sie mit dem gleichen Kameramann Reinhold Vorschneider zusammenarbeiten). Und Vanessa Jopp sieht Lars von Trier und David Lynch als ihre Idole.
Es fällt auf, dass alle übereinstimmend betonen, wie wichtig es ist, die eigene Individualität zu entwickeln. "Sich selbst treu bleiben" gilt als das beste Mittel, um sich durchzusetzen und um gegen die Zumutung des Mittelmaßes und der Stereotypen immun zu werden.
Vergleicht man zwischen der älteren und der jüngeren Generation, wird deutlich, dass die Emanzipationsgeste im Grunde der gleiche existentielle Karrieremotor geblieben ist. Doch die Strategien der Frauen beruhen heute auf anderen gesellschaftlichen Mustern. Das Dilemma ihrer Sorge um Ausgrenzung oder mangelnde Durchsetzungskraft ist dasselbe, doch haben sich die Rahmenbedingungen derart geändert, dass die Kommunikation zwischen den Generationen abgebrochen ist. Kurz: die kreative Unübersichtlichkeit bei den älteren Filmemacherinnen verschwand aus dem kollektiven Gedächtnis, übrigblieb der Abwehrreflex gegen die "Frauenecke."
Früher grenzten sich die Frauen von herrschenden patriarchalen Filmstereotypen ab und konzentrierten sich dabei oft auf Frauengeschichten. Die Furcht vor Mittelmaß, bzw. Medienkompatibilität trieb sie weitaus weniger um als die Sorge, mit ihrem avantgardistischen Anspruch exemplarisch zu scheitern. Heute halten Filmemacherinnen den frauenspezifischen Fokus für beschränkt und meiden dessen Pathos. Aber sie wappnen sich mit einem vergleichbaren Selbsthilfeprogramm: Indem sie auf den "eigenen Geschichten" beharren (Speth, Hausner, Gronenborn, Nettelbeck) wollen sie an der größtmöglichen Autonomie als einem künstlerischen Überlebensmittel festhalten.
Die Filmemacherinnen der ersten Generation betonten ihre autobiografischen Geschichten, ihre subjektive Wahrhaftigkeit. Das war eines ihrer stärksten Mittel, endlich als eigenständig wahrgenommen zu werden. Heute ist der Wunsch nach authentischem Ausdruck ebenso groß, doch muss er sich gegen die Konkurrenz einer weitaus größeren Masse schematischer Plot-Vorgaben, das heißt gegen die Raster der Medienkompatibilität durchsetzen.
Doris Dörrie fand die deutschen Regisseurinnen verbissen, die Filmfrauenprobleme langweilig und den Feminismus unsexy. Im Nachhinein sieht sie Vivian Naefe und sich selbst in den frühen achtziger Jahren als erste Girlie-Generation. Überhaupt plädiert sie für spielerischen Umgang - mit flexiblen und billigen Produktionsmitteln ebenso wie mit Stoffen, Themen und Geschlechterrollen. Sie habe die "Mann/Frau"-Debatte bei ihren Projekten "nie zugelassen", stellt sie fest. Das Image sollte nicht wie ein Menetekel wirken.
Vivian Naefe hat nie Benachteiligung erfahren. Sie sieht es positiv, als Regisseurin etwas Besonderes zu sein, erzählt sie. Wenn ein Projekt eine sensible Hand brauche, werde eben eine Frau beauftragt. Harte Action-Filme kommen für sie nicht in Frage, ihre "Tatort"-Inszenierungen sind deshalb eher Thriller. Mit der Trägheit der Entscheidungsträger im Fernsehen geht sie gelassen um: Nach einer Arbeitergeschichte bekommt man eben fünf weitere angeboten, nach einer Frauengeschichte läuft man ebenso Gefahr, festgelegt zu werden.
"Just do it" - die Maxime von Doris Dörrie und Vivian Naefe trifft bei den jüngeren auf mehr Skepsis als Begeisterung. Zwar sind einige Regisseurinnen in dieser Saison im Kino präsent sind, doch das hindert sie keineswegs daran, die Lage kritischer zu sehen.
Wie durchsetzen?
Die
Frauen vermeiden die "Frauenecke" und stellen dennoch fest, immer
noch als Frauen betrachtet zu werden.- soweit die Diagnose. Sie müssen beweisen,
dass sie Technik und Handwerk beherrschen, Männer am Set müssen das nicht unbedingt.
"Gut sein" muss eine Frau, sagen Vivian Naefe, Dagmar Damek, Hermine
Huntgeburth, Caroline Link; "besser sein" muss sie, sagen Connie Walther,
Esther Gronenborn und Sandra Nettelbeck. Jessica Hausner wundert sich, dass
vor allem die Beleuchter zunächst stillschweigend voraussetzen, dass
die Regisseurin nicht weiß, wovon sie spricht. Sie erinnert sich an die eigene
Jugend und stellt wie Caroline Link und Sandra Nettelbeck fest, dass deren emanzipierte
Maßstäbe im Filmgeschäft wenig gelten. Als Arroganz könne man dieses eingeschliffene
Verhalten der Männer am Set meist nicht bezeichnen, eher als "Weghör-Phänomen",
meint Esther Gronenborn.
Caroline Link meint,
sie verdanke der Muttergeneration, dass sie vollkommen gleich erzogen worden
sei und darum heute den feministischen Standpunkt nicht braucht. Sie zählt zu
den notwendigen Eigenschaften einer Regisseurin die Willensstärke, eine gewisse
Dominanz und die Fähigkeit zum Dirigieren. "Tough sein" und "durchpowern"
müsse sie, um das Kommando am Set zu behalten. Vielleicht würden Mädchen immer
noch dazu erzogen, sanft, sozial und verständnisvoll zu sein und hätten deshalb
keine Lust, sich auf die hierarchische Angelegenheit des Filmemachens einzulassen,
vermutet sie.
Dagmar Damek dagegen
zweifelt daran, dass eine Frau sich durchsetzen könne mit Dominanz und Lautstärke.
Es gehe nur mit handwerklicher Präzision, klaren Anweisungen und einem angenehmen
Ton, andernfalls nehme jedermann der Regisseurin übel, "zickig" zu
sein. Hermine Huntgeburth und Connie Walther warnen vor den Vorstellungen darüber,
was eigentlich frauenspezifisch sei. In der Filmbranche habe man es oft mit
puren psychische Projektionen zu tun, die bei der Arbeit eher behindern.
Was also müssen Filmemacherinnen
tun, um sich durchzusetzen und eine dauernde Karriere aufzubauen? Schreiben,
die Autorin der eigenen Filme sein - das sehen Vivian Naefe, Dagmar Damek, Doris
Dörrie, Sandra Nettelbeck als Schlüssel zur nötigen Geduld, Power und Geschicklichkeit
im Umgang mit Entscheidungsträgern. Angela Schanelec überbrückt so die langen
Warteschleifen zwischen den Projekten und erarbeitet sich die Sicherheit, gewisse
Drehbuchbesprechungen als überflüssig anzusehen.
Kämpfen für das eigene
Projekt, zum eigenen Erfahrungsschatz stehen und die eigene Haltung zur Geschichte
verteidigen - darin liegt für Maria Speth, Esther Gronenborn, Jessica Hausner
auch politisches Potential. Anfängerinnen, sagt Maria Speth, brauchen die Überzeugung,
ihr Selbstbewußtsein vor einem Forum (den Entscheidungsträgern, Mitarbeitern
und dem Publikum) auch als Frage nach ihrem politischen Bewußtsein zu erproben.
Eine andere Entschiedenheit
äußert sich hier als in der Betonung von Lust und Spiel, die Caroline Link und
Doris Dörrie als Voraussetzung zur Karriere stark machen. Letzlich hätten viele
Frauen eben "keine Lust", sich auf die Härte und den Stress des Berufes
einzulassen, vermutet Caroline Link.
Die Selbstbeschreibungen
der jüngsten Generation verknüpfen wieder die Frage von Selbstbewußtsein und
politischer Haltung - und nehmen so auf andere Weise Erfahrungen wieder auf,
die Margarethe von Trotta rückblickend ähnlich beschrieb. Das Filmemachen stellt
also Bedingungen, unter denen die neuen Regisseurinnen sich immer wieder als
Frauen - als bewußte Frauen - wahrnehmen.
Wie verträgt sich
der Durchsetzungswille von Filmemacherinnen mit dem Wunsch nach Kindern? Caroline
Link schließt Karriere und Kinder zunächst aus, weil die Arbeit zu zeitintensiv
sei. Hermine Huntgeburth und Angela Schanelec machen die Erfahrung, dass Beruf
und Kinder möglich sind, wenn die Familie hilft. Maria Speth hat ihren Abschlussfilm
früher fertiggestellt als Studienkolleginnen - ihr Kind, meint sie, habe ihr
geholfen, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren.
Blick über die Grenze nach Österreich: Ein Mittel, das Autorenfilmer immer wieder entdeckt haben, nutzen auch Jessica Hausner, Barbara Albert und zwei befreundete Kollegen. Sie gründeten in Wien ihre eigene Produktionsfirma, arbeiten darin gemeinsam an gegenseitigen Projekten und schaffen sich so die Basis, die Jessica Hausner zur Durchsetzung wichtig findet: Es geht darum, gegenüber Koproduzenten Macht in der Hand zu behalten und dieses Selbstbewußtsein in den Film zu investieren. Vielversprechende Abschlussfilme von Frauen gibt es jedes Jahr - wenn auch, siehe First Steps Award, oft im kleineren Format. Sie entstehen heute durch frühzeitige Kontakte mit Produktionsfirmen und Fernsehredaktionen. Eine große Zahl jährlicher Absolventen wird, meint Vivian Naefe, "quasi zum ersten Film hingetragen". Sich danach durchzusetzen, anstatt unter dem enormen Konkurrenzdruck unterzugehen, ist die Kunst.
Ob die derzeitige Saison der Regisseurinnen ein Intermezzo bleibt, hängt auch davon ab, mit welchem Rüstzeug der Nachwuchs diesen Engpass meistert. Wie gut sind junge Filmemacherinnen darauf vorbereitet, gegen die Konkurrenz ihrer Kollegen und gegen den "Mainstream" der Medien eigensinnige Projekte durchzukämpfen?
Buddy Systems und Frauennetzwerke
Einerseits
wartet die Branche auf neue Talente, andererseits fürchtet sie das Risiko, die
erwartete Erfolgsquote im Kino oder Fernsehen nicht zu erreichen. Es geht um
Investitionen und Prestige.
Größere Budgetentscheidungen,
Innovatives in Form und Inhalt sind Stressfaktoren, zu deren Vermeidung sich
Männer instinktiv eher auf andere Männer stützen. Nicht zuletzt betrifft das
auch das traditionelle Misstrauen in die Belastbarkeit von Frauen. Diesen Reflex
kennen Dagmar Damek, Sandra Nettelbeck, Connie Walther. Esther Gronenborn, die
seit 1997 als eine der beiden ersten Frauen in Deutschland Musik-Clips dreht,
beschrieb die Spielregeln dieser absoluten Männerdomäne in einem Artikel in
der Kunstzeitschrift "Regina". Es gibt Verständigungssysteme unter
Männern, meint sie, denen Frauen mit klarem Blick auf die Situation noch lange
nicht beikommen. Über alltägliche Umgangsformen, Gesprächsstoffe (Fußball, Autos,
Frauen) schaffen sie ein Fluidum, das ihnen Sicherheit verschafft, Frauen jedoch
leicht zu Fremdwesen stempelt.
"Je mehr Geld
im Spiel, umso größer der Druck", meint Sandra Nettelbeck. Wie Esther Gronenborn
und Connie Walther stellt sie "verdattert" fest, dass die Konflikte
existieren, obwohl heute jedermann die Frage nach Frauenfeindlichkeit im Job
von sich weisen würde. Eine typische Situation laut Sandra Nettelbeck: Jemand
findet eine junge Regisseurin "ganz reizend" und sieht dann seine
falschen Erwartungen enttäuscht, wenn sie um ihre Arbeit kämpft und Streit riskiert.
Connie Walther macht
darauf aufmerksam, dass in der Filmproduktion viele Entscheidungen "aus
dem Bauch heraus" getroffen werden. Männer, zumal die mächtigen, sind in
diese emotionale, persönliche Seite verstrickt, halten den Druck, den sie ausüben,
jedoch oft für logisch und rational.
Die Frage der gegenseitigen
Projektionen, die Hermine Huntgeburth für extrem wirkungsmächtig hält, irritiert
die meisten der Befragten und prägt ihre Arbeit dauernd. Zwei Beispiele: Es
könne auch sein, dass Frauen in der Männerdomäne Film sich wie der einzige Schwarze
unter Weißen fühlen, also möglicherweise alle Äußerungen insgeheim negativ auf
sich beziehen, vermutet Connie Walther. Frauen im Team können oft eine persönliche
Atmosphäre schaffen, Männer können im entscheidenden Fall von Sympathien oder
Animositäten absehen und lieber funktionierende Bündnisse schließen. Sandra
Nettelbeck rät: "Bloß nicht die Nerven verlieren", das schwäche die
eigene Position und bediene das leidige Klischee, Frauen seien hysterisch. Frauen,
die alles kontrollieren wollen, würden gefürchtet, aber respektiert - so eine
andere, oft genannte Erfahrung.
Esther Gronenborn
ergänzt die Beobachtung, dass Frauen lernen müßten, geschickt und energiesparend
mit den Ego-Problemen vieler Kollegen und Entscheidungsträger umzugehen. Schon
als Regieassistentin hat Connie Walther reichlich Erfahrung gesammelt mit
dem resistenten Image des genialischen Regisseurs, der von Verehrerinnen umschwärmt
wird. "Wo", fragt sie, "ist die dicke, unattraktive Regisseurin,
die ihren jugendlichen Liebhaber am Set präsentiert?" Frauen werden, so
das Resümee, immer noch an ihrer äußeren Attraktivität gemessen, Männer haben
das nicht unbedingt nötig. Deutlich wird, dass Filmemacherinnen die Eigenschaften,
die sie zur Durchsetzung brauchen, ein Leben lang kultivieren müssen. Wenn eine
Frau bereit sei, sich für ihre Überzeugungen unbeliebt zu machen, bleiben am
Ende die übrig, die wirklich an ihrer Arbeit interessiert sind, resümiert Sandra
Nettelbeck.
Organisierte Treffen, spezielle Frauenfachverbände sehen die meisten als wenig hilfreich an - die "Frauenecke" eben. Mächtige Netzwerke in Konkurrenz zu den traditionellen aufzubauen, halten sie für eine Illusion. Dagegen wächst offensichtlich wieder ein Interesse an der Teamarbeit unter Frauen, - unideologisch, beiläufig und am Projekt orientiert. Esther Gronenborn will ihre guten Erfahrungen damit in Zukunft ausbauen. Auch Jessica Hausner, Barbara Albert und Valeska Grisebach arbeiten gern mit Frauen im Team. Kein verbissenes Programm also, sondern ein offenes Spiel mit Chancen für Frauen.
Wie weiter?
Unter
den vielen genannten Filmen der letzten Zeit, hat nur Caroline Link mit "Nirgendwo
in Afrika" ein Budget über zehn Millionen Mark zur Verfügung gehabt. Vivian
Naefe peilt eine ähnliche Summe für ihren geplanten Fantasy-Film an - der Erfolg
von "Amelie", vermutet sie, könne ihrem Projekt vielleicht die Tore
öffnen.
Filmemacherinnen
in Deutschland richten sich immer noch damit ein, ihre Geschichten billiger
zu realisieren als vergleichbare Projekte von Kollegen. Ausnahmen wie Sandra
Nettelbecks "Mostly Martha" sind, wie beschrieben, reine Nervensache.
Frauen werden, stellt man die geringen Chancen zum großen Budget in Rechnung,
länger als Nachwuchs behandelt - manche fühlen sich sogar ewig auf diese Rolle
festgelegt.
Vielleicht fasziniert
Doris Dörries Ratschlag zum Experiment mit der digitalen Kamera und No-Budget-Projekten
deshalb so wenige ihrer Kolleginnen, weil sie den Nachholbedarf an größeren
Vorhaben immer noch als Frage der Anerkennung ihrer Leistungen betrachten. Dennoch
kann man nicht behaupten, Filmemacherinnen seien auf das Gleichziehen mit vergleichbaren
Kollegen fixiert. Die Probleme, die ihre Arbeit beschränken, sind ausdrücklich
nicht nur geschlechtsspezifische. Hermine Huntgeburth weist auf den Zusammenbruch
der Programmkinokultur hin, auch auf die schwindende Zahl kleiner Verleihe.
Das Defizit an einer dauernden Präsenz von Regisseurinnen im Kino ist zugleich
ein Teilproblem der mangelnden Filmkultur überhaupt, meinen u.a. Connie Walther,
Angela Schanelec und Sandra Nettelbeck.
Ein wachsender Markt
für konforme Fernsehfilmformate lässt die Startchancen für originelle und authentische
Filme insgesamt schwinden. Das kleine Fernsehspiel, eine Programmsparte des
ZDF, die schon seit der ersten Generation der Regisseurinnen offen für deren
subjektive Autorenfilme war und vielen Frauen ein Forum bot, wird voraussichtlich
bald seine Programmstruktur ändern. Maria Speth, Angela Schanelec und viele
Nachwuchsregisseure fürchten den Verlust. Auf der anderen Seite sieht Vivian
Naefe seit Tom Tykwers "Lola rennt" ein neues Interesse der Fernsehproduzenten
an "ausgeflippten", auch teuren technikorientierten Erzählformen -
und ein neues Feld für den Nachwuchs. Überhaupt ein Publikum für die eigenen
Filme zu finden, das heißt ins Kino zu kommen und nicht gleich sang- und klanglos
wieder daraus zu verschwinden, scheint heute ein zusätzliches Problem im für
Frauen besonders harten Konkurrenzkampf.
Frankreich pflegt
seine Nachwuchstalente und präsentiert deutlich mehr Regisseurinnen im Kino.
In Deutschland machten sich dagegen weitere als die genannten Umbrüche in einer
defizitären Filmkultur bemerkbar. So wurden mit dem Ende der DDR vor zehn Jahren
auch die wenigen Regisseurinnen der DEFA Opfer der neuen Konkurrenzsituation.
Zuletzt drehte Heike
Misselwitz 1996 den Spielfilm "Engelchen" und konzentrierte sich seither
auf die Lehre an der Filmhochschule in Potsdam-Babelsberg.
Auch viele der Autorenfilmerinnen
der alten BRD wechselten längst in die Ausbildung, unter ihnen Heike Sander,
Jeanine Meerapfel, Claudia von Alemann, Ula Stöckl, Jutta Brückner. Neue Filme
von ihnen sind äußerst selten geworden in den letzten Jahren, obwohl weitere
Projekte vorbereitet werden. Ulrike Ottinger kompensiert das Warten auf Finanzierung
durch Theaterinszenierungen und Fotografie, Helma Sanders-Brahms u.a. mit einem
Kurzfilm zur aktuellen Antiglobalisierungskampagne - beide präsentierten ihr
Gesamtwerk in größeren Retrospektiven.
Die Aktivitäten der
Älteren haben jedoch keine nachdrücklich präsenten Schülerinnen hervorgebracht.
So scheint die jüngste Generation ihre Ausdrucksmittel spontan neu zu entdecken
und aus dem aktuellen Zeitgefühl zu filtern - eine Unmittelbarkeit, die dennoch
bei genauerer Betrachtung Parallelen zu früheren Filmen erkennen ließe.
Die erfolgreichen
neuen Regisseurinnen eint - so eine vorsichtige These -das Grundgefühl, in einer
Welt zu leben, die sie zunehmend nur als Surrogat empfinden. Daher mag sich
das Beharren auf eigene Geschichten und Erfahrungen erklären. "Ich"
sagen mit dem Filmemachen
ist nach wie vor ein wichtiger Impuls. Jessica Hausner, Barbara Albert, Esther
Gronenborn, Connie Walther, Sandra Nettelbeck, Vanessa Jopp gehen alle von der
Sehnsucht nach Authentizität, nach Mitteilbarkeit und Emotionalität aus - auch
wenn ihre ästhetischen Lösungen nicht vergleichbar sind. "Unbedingte Gefühle"
hat Vanessa Jopp gegen ihren Co-Autor in "Engel und Joe" durchgesetzt,
ein Happy End schrieb Sandra Nettelbeck ihren Figuren in "Mostly Martha"
ins Drehbuch, "weil sie es verdient haben". Eine Gegenbewegung stellt
Angela Schanelecs Kino dar, z.B. ihr lakonischer Beziehungsreigen in "Mein
langsames Leben" - eine Dramaturgie, die einer outrierten Darstellung von
Gefühlen mißtraut.
So bleibt vorerst ein widersprüchlicher Eindruck bestehen: Die neuen Regisseurinnen erfahren alte Muster der Geschlechterrivalität in ihren Produktionsbedingungen und wehren sich, wollen sie nicht den Anschluss verlieren. In ihren Filmen, zumal den Geschichten über Jugendliche, erzählen sie von den Auseinandersetzungen zwischen Mann und Frau mit deutlicher Sehnsucht nach Harmonie.
©
Export-Union des Deutschen Films
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