Biographie Claire Denis

Filmographie


Claire Denis

 

 


Claire Denis wurde am 21. April 1948 in Paris geboren. Ihre Kindheit verbringt sie bis zu ihrem 14. Lebensjahr in Französisch-Westafrika. Nach ihrem Abitur arbeitet sie als Trainee in einer Firma, die Lehrfilme produziert. Sie entschließt sich, am Institut des Hautes-Etudes Cinématographique in Paris Film zu studieren. Nach ihrem Abschluß 1972 arbeitet sie für das Theater und für den Film, u.a. als Regieassistentin bei Costas Gavras, Wim Wenders, Jim Jarmusch und Jacques Rivette.

1988 dreht sie ihren erster Langspielfilm "Chocolat". France, eine jungen Französin, die in Kamerun als Tochter eines Kolonialbeamten aufgewachsen ist, kehrt nach 20 Jahren an den Ort ihrer Kindheit zurück. In langen Rückblenden wird der koloniale Alltag aus der Perspektive der achtjährigen France erzählt: die unerträgliche Hitze, das Warten der Mutter auf die Rückkehr des Vaters, ihr unerfülltes Begehren nach dem schwarzen Hausangestellten Protée. Trotz des Themas ist "Chocolat" kein nostalgischer Film, da er sich nicht auf die Kolonialzeit beschränkt und Bilder des modernen, postkolonialen Afrikas zeigt, ein Aspekt, der durch die Musik Abdullah Ibrahims unterstrichen wird.

Claire Denis nächster Film "Man No Run" (1988/1989) ist eine Dokumentation über die Têtes Brulées", eine Band aus Kamerun auf ihrer ersten Frankreich-Tournee.
Zusammen mit dem Filmkritiker Serge Daney dreht sie 1991 für die französische Fernsehserie "Cinéastes de notre temps" einen Dokumentarfilm über den Regisseur Jacques Rivette.

Ihr zweiter Spielfilm "S'en fout la mort" / "Scheiß auf den Tod" (1990) wirft einen Blick auf die brutale Welt des illegalen Hahnenkampfs. Mit einer großen Nüchternheit schildert Claire Denis hier die Grausamkeit menschlicher Beziehungen .
Ihr nächster Film "J'ai pas sommeil" /"Ich kann nicht schlafen" (1994) ist eine Art nächtlicher Spaziergang durch die Gemeinschaft der Heimatlosen und Außenseiter. Basierend auf eine wahren Geschichte, dem berüchtigten "Omamörder" von Paris, folgt die Kamera den verschieden Protagonisten des Films: Daiga, eine Emigrantin aus Litauen auf der Suche nach Arbeit, dem Musiker Theo, der sich mit Schwarzarbeit durchschlägt und Theos Bruder Camille, der als transvestischer Tänzer in einem Nachtclub auftritt. Einer von ist der Mörder, doch das fällt niemandem auf. Claire Denis verzichtet konsequent auf Psychologie; die Figuren bleiben geheimnisvoll und unnahbar. Ihre Gefühle erschließen sich nur auf subtile Weise, in den flüchtigen Begegnungen, ihren Gesten und Blicken.

"US Go Home" (1994) ist Teil der Serie "Tous les garçons et les filles" (Alle Jungen und Mädchen), eine Reihe von "Coming-of-age Filmen, zu der auch Chantal Akerman und Catherine Breillat einen Beitrag geleistet haben.
1996 dreht sie den Film "Nentte et Boni", der bei den Filmfestspielen in Locarno den ersten Preis erhielt. Der 19jährige Boni arbeitet für einen Pizzaservice und verzehrt sich in seinen Träumen nach der schönen Frau des Bäckers. Eines Tages steht seine 15jährige Schwester Nénette vor der Tür. Sie ist schwanger und aus dem Internat abgehauen. Auch hier zeigt sich der für Claire Denis charakteristische filmische Ansatz. Die Charaktere bleiben unscharf, der Erzählstil fragmentarisch. Das emotionale Band zwischen den Personen wird über Nahaufnahmen, intensive Körperinszenierungen und einen großartigen Soundtrack hergestellt.

1999 entsteht "Beau Travail" / "Der Fremdenlegionär", basierend auf der Erzählung "Billy Budd" von Herman Melville. Eine Gruppe von Fremdenlegionären, vergessen und verlassen irgendwo am Golf von Dschibuti. Die Handlung und die Dialoge treten in den Hintergrund zugunsten einer "Choreographie der Körper" (Annett Busch), die eine eigenständige Geschichte erzählen.
"Ich mache Filme, in ihren Körpern gefangen sind. Bei Rivette gehorcht der Körper dem Denken, ich dagegen bin der Meinung, dass das Denken, der geistige Zustand dem Körper gehorcht." (Claire Denis)

Mit ihrem letzten Film "Trouble Every Day" (2001) greift Claire Denis das Genre des Horrorfilms auf. Der Film, der außer Konkurrenz auf den Filmfestspielen in Cannes gezeigt wurde, hat noch keinen deutschen Verleih. Ihr nächstes Projekt ist ein zweiteiliger Fernsehfilm für Arte mit dem Ttitel "L'Intrus".

Claire Denis arbeitet eng mit dem Drehbuchautor Jean-Pol Fargeau und der Kamerafrau Agnes Godard zusammen. Die Darsteller Grégoire Colin, Vincent Gallo. Alex Descas und Alice Houiri gehören ebenfalls der "Familie" an. Ernsthaft und ohne Larmoyanz erfassen ihre Filme die emotionalen und sozialen Effekte von Rassismus und Kolonialismus. Dabei vermeidet Claire Denis ein simples Konzept des "Anderen" als das Gegenteil herrschender kultureller Normen. Ihre Filme sind vielmehr "eine komplexe Untersuchung von ambivalenten, bisweilen undechiffrierbaren postkolonialen Identitäten." (Claire Denis).

K.H.

Literatur:

  • Amy L. Unterburger (Hrsg.). The St. James Women Filmmakers Encyclopedia. Women on the other Side of the camera. Detroit [u.a.]: Visible Ink, 1999, S. 114-116.
  • Busch, Annett. Die Grenze der Bezeichnung. IN: Spex. Das Magazin für Popkultur Nr. 6, 1998, S. 42-45
  • Busch, Annett: Leibesübungen. In: Spex. Das Magazin für Popkultur Nr. 9, 2000, S. 66-69
  • Jousse, Thierry; Strauss Frédéric. Entretien avec Claire Denis. In: Cahiers du Cinéma Nr 479/480, 1994, S. 26-29
  • Omasta, Michael. Die Schauspieler kommen für mich zuerst. Gespräch mit Claire Denis. In: epd Film 11, 1997, S. 24-28